Donnerstag, 29. September 2016

Genuss und Konsum im ÖV


Ich erinnere mich noch gut an meine Jugendzeit, in der man noch Raucherabteile im Zug hatte. Besonders unterhaltsam waren diese, wenn einige Kiffer alles dafür gegeben haben, das Abteil mit so viel Rauch zu füllen, dass man gar nichts mehr sah und nur noch das Lachflash der anderen hörte.
Schon als Kind reisten wir häufig im Raucher, denn meine Mutter sowie meine Tante, mit denen ich gelegentlich im Zug reiste, waren damals passionierte Raucher. Der Gestank der Kleider war immer etwas, das mich grüsselte. Heute gibt es jedoch manchmal Zeiten, in denen ich das Raucherabteil vermisse. Man steigt nach der Arbeit hungrig in den Zug ein und der Typ gegenüber vertilgt einen Dürüm mit extra viel Zwiebeln, dahinter chräschlets in einer McDoof Tüte und die Dame am Ende des Abteils riecht wie eine Parfümerie. Das duftgemisch führt manchmal beinahe zu Übelkeit. Im Raucher roch man nichts – ausser natürlich den Rauch –.
Bereits morgens in der Früh habe ich das Glück, dass manchmal ein torkelnder Alki mit seiner Hülse sich den Platz neben mir aussucht - ob Frau oder Mann spielt an der Stelle keine Rolle, sie setzten sich einfach nur gerne neben mich - um mit mir ein Gespräch zu starten. Schon die Bierfahne haut mich fast vom Hocker und ich bemühe mich, so unauffällig wie möglich meine Kopfhörer in meine Ohrmuscheln zu stossen und stelle mich schlafend, bei dem Duft geh ich sowieso fast K.O..
Viele Düfte und Konsum verschiedener Genuss- und Suchtmittel die sich in so einem Zügli versammeln. Die härte erlebte ich jedoch diese Woche, als einige meiner Mitstudenten/innen und ich den Zug in Brugg betraten. Wir gingen die Treppe hoch und hörten laut Musik. Der Typ, der die Musik abspielte – noch über einen Diskman, was in mir eine fröhliche Melancholie auslöste – fragte, ob uns die Musik störe und da es echt gute Musik war, haben wir alle einstimmig verneint. Meine Kollegin und ich öffneten unser Bierli (wenn wir schon beim Konsum sind) und wir begannen uns zu unterhalten. Auf einmal sah ich im Augenwinkel eine kleine Rauchwolke über dem Abteil des Diskman-Anhängers und ein Mitstudent drehte sich, da er in dessen Abteil blicken konnte.
Zuerst dachte ich, der raucht oder kifft, doch riechen konnte ich nichts. Mein Mitstudent hielt sich das Tshirt vor die Nase und sagte: „macht das passiv high?“. Ich fragte natürlich ob es denn ein Joint sei oder was und nur so: „isch irgend öppis ire Alufolie“.
Wooow im Zug Crack rauchen, das hab ich echt noch nie gesehen. Nun ja, andere im Abteil blickten zu uns und suchten unser Gespräch. Wir lachten etwas irritiert über die Situation und amüsierten uns, der Herr sagte nur, dass er grad fertig sei. Na dann ist ja alles OK...
Dann kam das Geräusch… schniiiiiiiiiiiiifffffffffffffffff… ich blickte rüber und nun war er dabei sich was in die Nase zu ziehen. Eh ja wemes brucht! Alle die dies mitbekommen haben waren nun am diskutieren – natürlich haben sie alle gchüschelet, nicht damit er es noch hört -, ob das denn wirklich sein Ernst sei. In Aarau stieg er aus, schade für die Musik aber vielleicht besser für die verwirrten Zugfahrer. Aber ein Kompliment muss ich dem Herrn dann doch machen, abgesehen davon, dass er einen echt guten Musikgeschmack hatte, war sein Platz tiptop sauber, keine Spuren von Folie oder Pulver oder sonst was, weder auf dem Sitz noch auf dem kleinen Tischli. Wahrscheinlich war er so wired, dass er jedes noch so kleine Stäubchen gesehen und weggeschnieft hat, das würde auch das energetische Schniefen erklären, dass an einen Dyson-Staubsauger erinnerte. Ich freue mich jedoch nun noch mehr, dass ich jeden Tag pendeln kann, ja sogar 2x die Woche bis Brugg (1½ Stunden), denn so skurrile Erlebnisse begeistern mich immer wieder aufs Neue!

Montag, 26. September 2016

Pendeln macht Laune, nur manchmal nicht gute



 Für viele Menschen ist tägliches Zugfahren der absolute Horror, ich persönlich finde es grundsätzlich sehr angenehm. Am Morgen habe ich noch Zeit, langsam zu erwachen und Abend kann ich runterfahren und zum Fenster raus träumen.
Ebenso ergeben sich immer wieder lustige Situationen, die mich durch den ganzen Tag begleiten.
Trotz allem gibt es manche Dinge, die anderen Pendler tun oder eben auch nicht, die in meinem Inneren immer eine leichte Enerviertheit hervorbringen. Dies beginnt dann auch schon auf dem Weg zum Bahnhof.
Um auf das Perron zu gelangen, geht man in Thun die Treppe runter und dann am entsprechenden Ort wieder hoch. Dazwischen befindet sich der Brezel-König, bei dem viele morgens ihren Kaffee kaufen. Am liebsten stehen dann alle gleichzeitig in einer Reihe vor dem Tresen, natürlich gleich so, dass die, die die Treppe runter kommen sich an der Wand entlang neben den Anstehenden durchquetschen müssen – einer nach dem anderen -. Immer wieder frage ich mich in diesem Moment: „wieso?“. Wäre es denn zu viel verlangt, sich so anzustellen, dass man noch vorbei kommt? Ich erkläre mir die Situation dann einfach damit, dass das Denkvermögen, besonders das räumliche Denken, morgens wohl noch extrem eingeschränkt ist und gehe weiter. Auf dem Perron angekommen setze ich mich gerne mit meinem Kaffee auf die Bank. Also laufe ich zielstrebig auf diese zu, wo auch schon mehrere Leute davor stehen. Nein, lasst nur, eine Bank ist schon primär dazu da, sich davor hinzustellen, dass niemand sitzen kann. Na gut ich bin ja noch jung und kann stehen, denke jedoch, dass wenn jemand älteres vorbeikommen würde, ich am Rande einen giftigen Kommentar fallen lassen könnte, damit wenigstens sie sich setzen könnte.
„Gleis 2, Einfahrt des InterRegio nach Bern …“. Alle stellen sich an den Rand des Perrons und warten, dass der Zug stillt hält. Die Tür öffnet sich und davor bildet sich ein Trichter, der knapp einen Menschen nach dem anderen aussteigen lässt. Alle drängen sich von hinten immer näher auf den Eingang zu, die, die Aussteigen möchten, zwängen sich genervt durch die Hohle Gasse und ich werde praktisch in den Zug gestossen. Immer wieder denke ich, dass doch das Einsteigen viel schneller gehen würde, wenn man den Menschen auch genügend Platz geben würde um auszusteigen, denn es könnten wirklich 2 gleichzeitig aussteigen, durch den Trichter der spalierstehenden Pendler verzögert sich das ganze jedoch. Das waren wohl alles solche, die sich während der Schulzeit immer wieder gefragt haben, warum man Mathe macht, denn das braucht man ja niiiieee mehr im Leben. „Dubbel! Genau hie wär e alltäglechi mathematischi Ufgab wo ds Läbe würd erliechtere aber neeei mach wyter d Ouge zue!“
Das gleiche folgt dann auch gleich in Bern wieder. Aussteigen ist jeden Morgen eine Challenge, da einem überall und von jedem gerne mal der Weg versperrt wird. Am liebsten sind mir dann noch die, die gemeinsam quatschend aussteigen, und direkt vor der Tür halt machen um sich zu verabschieden, so dass dann auch gleich ein Rückstau entsteht. Dazu kommt dann noch, dass die, die einsteigen möchten nun noch von der Seite drücken. Jeder Klaustrophobiker hat dann schon am frühen Morgen die erste Panikattacke.
Um möglichst schnell aus dem Wirrwarr zu kommen, nehme ich auch gleich die Rolltreppe, denn auf der linken Seite kann man ja hochlaufen und ist schneller oben; so zumindest wäre es mathematisch gedacht, wären da nicht diese begriffsstutzigen Idioten, die sich auf der ganzen Rolltreppe breit machen und den eiligen unter uns den Weg verbarrikadieren.
„Denen zeig ichs“, denke ich dann jeweils. „exgüse, chönnti äch düre?“ frage ich dann in provokativer Tonlage! „Ou ja tschuldigung…“. Dem hab ichs gezeigt! Würde er sich an die Regeln halten hätte er sich nicht bei mir entschuldigen müssen, nämlech!
Das Problem mit der Rolltreppen-Regelung ist ja in der Schweiz doch allen bekannt. Da gibt es die verfechter, die behaupten, dass die Rolltreppe für solche Menschen ist, die eben nicht laufen können oder mögen, für die die laufen hat es ja eine normale Treppe. Wir, die die Rollteppe hochschreiten, sagen dazu jedoch, dass die die nicht laufen können oder mögen ja eigentlich auch direkt den Lift nehmen könnten, denn ich gehe die Rolltreppe hoch, um Zeit einzusparen. Nun ja ein ewiges Streitgespräch an jedem Schweizer Bahnhof, komischerweise haltet sich im Urlaub jeder dieser Menschen, die sonst ihren „I-sta-woni-wott“-Standpunkt vertreten, an die rechts stehen, links gehen Regel.
Der Weg zum Bahnhof bzw. auf das Perron gestaltet sich am Abend nach der Arbeit dann doch etwas leichter, da jeder so schnell wie möglich nach Hause will. Einige Menschen warten auch schon auf den Zug, doch viele sind es nicht. Ich stelle mich zum Warten hin, rundherum meeega viel Platz und zägg, stellt sich ein anderer Pendler direkt vor mich hin. Leicht irritiert blicke ich seinen Rücken an. Es hat noch sooo viel Platz, wieso, ja wieso nur stellt sich dieser Typ direkt vor mich hin? Hat der noch nie etwas von der gesellschaftlichen Distanzzone gehört. Ich gehe einen Schritt zur Seite um mich wieder wohler zu fühlen, er macht es mir nach, in dieselbe Richtung wie ich. „WTF???!!“. Das scheiss Perron ist noch leer, kann der sich nicht woanders hinstellen? Mein sturer Kopf will aber nicht nachgeben, ich verlassen meinen Platz nicht, immerhin bin ich zuerst hier gestanden. Ich stemme meine Arme in die Seite und spanne an, so dass meine Ellenbogen stramm zur Seite gerichtet sind. Ich bewege mich etwas in die Richtung dieses mühsamen Mitmenschens und remple ihn etwas an. Nur ganz leicht, um zu zeigen, hey hier steht imfall noch jemand! Nichts, keine Reaktion. Hmm was nun? Ich überlege mir einen Hustenanfall vorzutäuschen, wo ich wild mit meinem Armen fuchtle und ihm dummerweise eine reinhaue. Nein das ist zu auffällig. Ich komme auf die unschlagbarste Idee: Ich nehme meine Wasserflasche zur Hand, leere Wasser über meine Finger und imitieren einen lauten Nieser und spritze dem Herrn vor mir Wasser in den Nacken. „Entschuldigung…“, sage ich mit der zuckersüssesten Stimme, die ich, das Lachen verkneifend, rausbringe. Angewidert blickt er mich an und rückt langsam ab.
Der Zug kommt und ich steige grinsend ein.

Erkenntnisse des Pendelns

Spieglein Spieglein an der Wand und Selbsttrug bringt nichts
Ein normaler Arbeitstag beginnt und endet bei mir jeweils mit Zugfahren. Täglich gibt es lustige, nervige und sonstige Ereignisse, die mir dann jeweils noch für eine Weile im Kopf rumgeistern. Heute führte eine Beobachtung am Bahnhof tatsächlich zu einer Erkenntnis über mein eigenes Verhalten.

Fröhlich lächelnd ging ich also nach der Arbeit Richtung Bahnhof. Die Treppe runter tänzelnd fiel mir ein junges Pärchen ins Auge, die heftige Zungenküsse austauschten. „Wä nähmet doch bigottherje es Zimmer das müesse doch net alli gseh“ schoss mir ohne Vorwarnung durch den Kopf. Man könnte meinen, es sei Frühling, überall diese doofen Pärchen… Halt was soll das? Eben war ich doch noch bestens gelaunt – denn es ist ja immerhin Freitag und das Fürabebierli wartet schon -, also warum auf einmal so gehässig? Ich setzte mich also hin und zog genüsslich an meiner Zigi und meine Reaktion beschäftigte mich ein wenig. Da dachte ich wieder an einen Artikel, den ich vor kurzem gelesen habe, in dem es um unsere Generation beziehungsunfähig ging. Um sich selbst zu schützen bleiben wir lieber Single und reden uns ein, dass eine Freundschaft mit gewissen Extras eh viel besser ist als eine echte Beziehung und Beziehungen uns in unserem Leben nur einschränken.
Ich selbst gehöre zu den rationalen Menschen, die versuchen, alles möglichst logisch, analytisch und wenn möglich mathematisch zu erklären. Kommt es dann tatsächlich einmal so weit, dass ich jemanden supertoll finde, bin ich durch das biochemische Wirrwarr meines Körpers – das könnte man tatsächlich auf molekulare Strukturen runterbrechen und stöchiometrisch berechnen – so überfordert, dass ich Mr. Supertoll dann auch gleich komplett überrumple indem ich mit der Tür ins Haus falle – im besten Fall mit einem Bulldozer, so à la „I schrisse dini Hütte ab…“, einem Song von J.O.H.O -. Nun ja kommt dann die Frage, was ich denn eigentlich will, kommt eine absolut frauentypische Antwort: „bö, i weiss doch o net…“ oder man krebst zurück denn man hat ja gerade die Hose runter gelassen und könnte verletzt werden und das will ja nun wirklich niemand… Verwirrt wie man dann in diesem Moment ist, stellt man sich dann nur noch doof und verliert total den Hang zur Realität. Nun beginnt der nervigste Teil: Analysieren des Verhaltens und der SMS des Typens oder auch des nicht Vorhandenseins von Kurznachrichten. Eh was wotter äch dermit säge. In Filmen und Serien lernt man doch, dass man sich interessant machen muss und der Mann wenn er nicht schreibt nur noch mehr dein Interesse wecken will. Hä wart schnell er weiss ja schon, dass ich ihn super finde, macht ke Sinn! Aber die Biochemie hat da längst schon das Gehirn unterjocht und logisch denken ist futsch. Dann noch die halbschlauen Ratschläge von Leuten die ganz allgemeingültige – nicht wissenschaftlich hinterlegte – Aussagen raushauen wie: „ja weisch itz woners weiss isches ja nüm interessant, wöu Manne si gebornigi Jäger!“. Aha, dann ist es natürlich scheisse bin ich immer viel zu direkt und überlege in solchen Situationen nicht, bevor ich die Bombe platzen lasse. Aber ich habe schon als Kind nicht gern Spiele gespielt – ausser vielleicht mal Tschou Sepp oder Burechrieg -. Je öfter ich solche Situationen erlebe, umso klarer wird, dass ich, wenn ich schon direkt bin und Mr. Supertoll sage, dass ich ihn eben klasse finde, dann auch den Mut haben sollte, die Frage, was ich denn nun will, auch ehrlich zu beantworten um mich selbst nicht noch mehr zu verwirren. Huere Siech di wotti, süsch hätti das äuä net grad gseit oder? Das würde einem dann auch die ganze Verhaltensanalyse ersparen, denn wenn er so supertoll ist wird er auch ehrlich sagen, was zu sagen ist.

Albert Einstein hat gesagt: „Irrsinn ist, immer wieder dasselbe zu tun aber andere Resultate zu erwarten“, retrospektiv betrachtet bin ich also Irrsinnig, denn ich handle in solchen Situationen immer wieder genau gleich durchgeknallt und irrational wie das vorangegangene Mal und am Ende gehe ich durch die Strassen und nerve mich über verliebte Pärchen die alle an ihrem Glück teilhaben lassen.
Warum also nervt mich das Rumgeknutsche der jungen verliebten so? Weil sie wahrscheinlich nicht versucht haben, das ganze molekular zu erklären und sich nicht ein Schlupfloch gebaut haben um bei Panik abzuhauen. Jaja ich bin mega direkt und bilde mir auch ein wenig etwas ein darauf, denn ich für mich ist Direktheit und Ehrlichkeit ein wichtiges Merkmal, dass ich bei jedem sehr schätze. Aber mir selbst den Spiegel vorhalten sollte ich vielleicht auch einmal. Du bisch es Huehn u söttsch mal chly chille u net geng düredräie… Also ihr lieben Knutschenden: sorry für meine gehässigen Gedanken, liebt euch und macht weiter so, wer nicht klar kommt, hat das Problem grundsätzlich nicht mit euch...