Donnerstag, 27. Oktober 2016

Nächster Halt: „Nimm dä huere Ellboge da wäg!“


Tagtäglich fahre ich Zug und immer wieder stellt sich mir dieselbe Frage: wer hat das Recht auf die Armlehne? Ist es der, der als erstes den Anspruch erhoben hat, gemäss der Regel „wer zuerst kommt malt zuerst…“ oder ist es etwa nach Alter oder gar nach Geschlecht geregelt?

 

Gerade erst gestern sass ich im Regio-Express von Bern nach Thun. Ja ich war die erste im Abteil und habe die Armlehne runtergeklappt und meinen Ellenbogen gemütlich darauf platziert. Gegenüber setzte sich eine freundlich reinblickende Frau hin, nachdem sie höflich gefragt hatte, ob denn hier noch frei sei. Dann kam sie, meine Ellenbogenfeindin - auch wenn ich das bei ihrem Eintreten ja noch gar nicht wusste, sonst hätte ich provokant mein Kitchener auf dem Nebensitz liegen lassen, nämlich - und fragte mein Gegenüber ob noch frei sei. Schon da dachte ich, wie unhöflich immerhin war ich zuerst im Zug da könnte die Gute doch auch mich fragen, aber ich verzieh ihr und nahm mein Kitchener auf den Schoss und legte meinen Ellenbogen wie zuvor wieder auf die Armlehne.

Sie setzte sich - vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass sie auch etwas korpulenter war und ich mich dadurch sowieso schon etwas eingeengt fühlte -, nahm ihr „Blick Am Abend“ und dann kam es. Sie drängte ihren Ellenbogen vor den meinen, ja quetschte ihn auf den vorderen Teil und versuchte, meinen Ellenbogen nach hinten zu drängen. Dabei schaute sie kritisch auf meinen Arm und dann zu mir, was ich nur im Augenwinkel sah, da ich versuchte, absolut keine Reaktion zu zeigen. Sie fand sich für kurze Zeit damit ab, dass mich nicht zu interessieren schien, dass es sie störte, den Ellenbogen nicht so auf der Armlehne platzieren zu können, wie sie das gerne gehabt hätte. Doch für mich war der Krieg um diese in dem Moment eröffnet, als sie mich kritisch ansah. Denn in meinen Augen war es klar MEINE Armlehne, denn ich war ja schliesslich zuerst da und kampflos gab ich sie nicht auf. Immer wieder rückte sie ihren wabbeligen Arm zurecht und versuchte mich so dazu zu bewegen, meinen Arm wegzuziehen, aber sie hatte sich mit der falschen angelegt. Ich fing schon an, mich zu verkrampfen, um meinen Arm genau in der Position, der ihr keinen Millimeter mehr meiner Armlehne gönnte, zu halten. Mein Oberarm begann sich immer mehr zu verkrampfen bis es mir über die Schulter in den Nacken zog, doch die Stimme in meinem Kopf drängte mich weiter, den Arm genauso positioniert zu lassen. Bei jedem Anstoss ihrerseits schrie die Stimme lauter „MEINE ARMLEHNE“, so hielt ich meinen Arm bis Thun und musste zu Hause angekommen erst einmal Lockerungsübungen machen.

 

Eigentlich ist es ja lächerlich, sich über so eine Banalität wie eine Armlehne Gedanken zu machen, und doch ertappe ich mich immer wieder bei solchen Machtspielchen um Armlehnen. In neueren Zügen gibt es gar keine Armlehne mehr, folglich kämpft man nur noch darum, seinen persönlichen Raum zu wahren und ja niemanden eindringen zu lassen. Man drängt sich mühsam gegen das Fenster, um ja den Sitznachbarn nicht berühren zu müssen. Dies erklärt auch den ewigen freien Fensterplatz in den Abteilen. Denn es gibt ja eine logische Abfolge wie man sich in einem Abteil hinsetzt. Der erste setzt sich ans Fenster – meist in Fahrtrichtung -, der zweite setzt sich gegenüber auf den Platz am Gang und der Dritte hat die Wahl, zwischen Fenster und Sitznachbar eingeklemmt zu werden oder wenigstens eine Schulter etwas freier am Gang zu haben. So gibt es bei nicht vollgestopften Zügen jeweils das Phänomen, dass ein Fensterplatz frei bleibt.

Manchmal, wenn ich meine Stimmung etwas provokant ist, quetsche ich mich absichtlich noch auf den vierten Platz, auch wenn in anderen Abteilen Platz drei noch frei währe, nur um mich dann innerlich über den schockierten Blick der bereits im Abteil sitzenden zu amüsieren.

 

Das bringt mich zu einer spannenden Idee. Vielleicht sollte ich mich einmal mit einem Zug-Designer zusammensetzten um dieses gravierende Problem für die Zukunft lösen zu können. Wie wäre es denn mit einer zweiten Armlehne? Oder noch besser: kleine Glaskabinen mit je einem Sitz? Bis es dann soweit wäre, würde ich Empfehlen, in jedem Abteil ein Schild zu montieren, auf dem steht, wer denn eigentlich das Recht auf die Armlehne hat, denn offenbar gibt es da keine allgemeingültige Regel und das macht mi scho chly schissig! J

 

Donnerstag, 20. Oktober 2016

Frauenwahnsinn durch Textnachrichten

Frauen und Männer sind ja grundsätzlich sehr verschieden. In letzter Zeit hatte ich mit einigen Freunden häufig über geschlechterspezifische Memes gelacht und meistens dem Inhalt zugestimmt.

Ja wir Frauen sind merkwürdige Wesen, die viel zu viel denken und interpretieren und subtiles Verhalten an den Tag legen. Aus Gesprächen mit Freunden ging hervor, dass dies bei den Männern allgemein bekannt ist. Da kommen wir auch gleich zu meiner Leitfrage: Wenn es den Männern bekannt ist, dass wir jedes Wort auf die Goldwaage legen und in jede Nachricht jede mögliche oder auch unmögliche Situation herausinterpretieren, ja jedes Verhalten zu deuten versuchen, wiesooooo nur drücken sie sich dann häufig nicht klar aus –in unseren Augen natürlich –, verweigern sogar die Kommunikation oder senden klar widersprüchliche Signale?
 
Das schlimmste ist ja in meinen Augen die Textnachricht – die in unserer Generation das wohl beliebteste Mittel der Kommunikation ist –, denn da wir nur Worte lesen und keine Emotionen oder stimmliche Facetten hören oder sehen, lässt dies dem Leser äusserst viel Interpretationsspielraum. Paul Watzlawick hätte seine wahre Freude daran, sein Kommunikationsmodell bei unserer Generation anzuwenden. Regelmässig beobachte ich in meinem Freundeskreis immer wieder komplett verwirrtes Verhalten, da zwei Menschen völlig aneinander vorbei simslen, besonders eben, wenn Frau und Mann kommunizieren.
 
Lange Zeit dachte ich, dass ich männliche Kommunikation eigentlich gut nachvollziehen kann, da ich mehr männliche Freunde habe als weibliche und mit Jungs aufgewachsen bin. Männer beziehen sich häufiger auf die Sach- und weniger auf Beziehungsebene, zumindest dachte ich das. Sie sagen, was sie denken, klären die Dinge knallhart und vermeiden es, unnötige, sich im Kreis drehende Konversationen zu führen., zumindest dachte ich das. Was aber, wenn das starke Geschlecht sich zu einer Sache beziehungsweise einer Situation äussert, A sagt, aber sein Verhalten dann etwas anderes impliziert? Ihr wisst haargenau was passiert: wir Frauen drehen komplett durch! Stundenlanges mit Freundinnen darüber schreiben, was das jetzt wieder sollte sowie Printscreens der Nachrichten weiterleiten um dann die Nachrichten zusammen zu interpretieren. Da steht „Hallo“, aber was könnte das nicht alles heissen. Ja wir Frauen können aus einem einzigen Wort in einer Textnachricht, ja sogar aus dem Fehlen einer Antwort, einen ganzen Dialog rauslesen, was für ein Talent! Ja auch ich mache das regelmässig, obwohl ich mich eigentlich gerne als rationalen Menschen bezeichne, dafür kann ich in solchen Situationen dann doppelt irrational sein, so ist alles wieder im Gleichgewicht. Männer machen das wohl nicht, oder es hat sich noch keiner meiner Freunde offen dazu bekannt.
 
Ja wir Frauen unterhalten uns im Allgemeinen sehr gerne über Unterhaltungen mit Männern und lachen über plumpe Äusserungen, Fragen uns gemeinsam was für eine Geschichte man in die Aussage „ja vou“ packen könnte und drängen sogar unsere männlichen Freunde dazu, uns Rat zu geben und um nachzuvollziehen, ob nur sie das genauso sehen oder ob irgendwo in der Nachricht noch ein geheimer Männercode versteckt ist. Der weiblichen Kreativität sind in solchen Fällen keine Grenzen gesetzt. Ja wir werden auch gerne wütend über Sätze wie „sorry cha grad net, bi am schaffe“, weil, hmm nunja, weil wir Frauen sind und das dürfen! Schliesslech! Ja liebe Männer ihr wisst wie es um unsere Logik steht wenn wir euch mögen oder sonst wie was am Laufen haben. Wir brauchen unsere regelmässigen Aufmerksamkeit sonst werden wir wütend und es wird uns bald zu blöd. Es ist wie mit dem Hunger, bekommen wir nicht regelmässig etwas zu essen, werden wir auch ungeniessbar. Also brauchen wir Worte aus Schoggi sozusagen, eine Schachtel Pralinen, viel Abwechslung und klebrig süss. Oder auch nur Schoggi, die hilft auch ohne Worte immer!
 
Ich habe mittlerweile bei den Jungs mal etwas nachgehakt, ob denn sie auch Kurznachrichten analysieren und sich untereinander darüber austauschen oder ob das eine reine Frauenkrankheit ist. Nun die Antwort darauf war recht simpel. Männer – oder zumindest die die ich befragt habe – interpretieren nur bedingt und häufig wird es ihnen zu anstrengend, wenn wir Frauen uns etwas kryptisch ausdrücken, was dann auch dazu führt, dass sie dann einfach nicht zurückschreiben, weil sie nicht verstehen, was genau jetzt eigentlich der Inhalt der Nachricht war. Dies wiederum führt ja dazu, dass wir verunsichert sind, denn er schreibt ja nicht und dann aus Prinzip herausfinden: „i schribe itz halt o net, wöu er schribt ja o net“. Et voilà Schluss und aus ist es... Über Frauen unterhalten sich Männer untereinander meist auch nur oberflächlich und diskutieren nicht stundenlang darüber wie wir Frauen – oder zumindest die nicht, die ich befragt habe -.
Die bei weitem beste Antwort, die ich erhalten habe war, dass er einfach nachfragt, wenn er nicht weiss, was gemeint ist. Ist das nicht eine simple Lösung! Wieso fragen wir nicht einfach? Wieso legen wir nicht einfach mal das Handy zur Seite, stellen uns voreinander auf und reden. Es ist so angenehm sich hinter einer Textnachricht zu verstecken, denn man hat nicht eine direkte Reaktion, die kommt erst verzögert und irgendwie kann man sich ja dann immer noch herausreden, wenn das Ergebnis nicht das war, was man wollte. Ich denke, dass es in der Zeit der Handys grundsätzlich schwierig ist, jemanden kennenzulernen oder normal zu kommunizieren, denn man lebt so sehr in dieser Isolationswelt der Selbstdarstellung, der Selfies und WhatsApp, das es nicht mehr zu einer zufälligen Begegnung und einem spontanen vor der Tür stehen und klingeln kommt. Man schreibt sich tagtäglich Nachrichten und wenn man sich dann einmal trifft, hat man sich nichts mehr zu sagen, da ja alles schon getextet wurde.

Eine Generation von verwirrten Köpfen im Dauerstress der Erreichbarkeit, zusammen allein. Vielleicht wäre es sinnvoll, das Handy wegzulegen, sich zu unterhalten, einen Brief zu schreiben oder ein Lied vorzusingen– sofern man nicht klingt wie eine Nebelkrähe mit Chiischteri –. Wir Frauen und Männer ticken nämlich nicht so verschieden wie wir das häufig denken, stellen uns aber selber Barrieren vor die Nase. Kommunikationsbarrieren. Ich für meinen Teil, versuche mich zu bessern und nicht immer alles interpretieren zu wollen, sondern die Situation so nehmen wie sie sich ergibt und halt lieber einmal mehr persönlich fragen, wenn ich etwas nicht verstehe. Wie lange dies klappt, ist eine andere Geschichte; wahrscheinlich bis zur nächsten knappen Textnachricht bahahaha.

Donnerstag, 13. Oktober 2016

Wohnungssuche du Arschloch!


Die meisten haben das bestimmt auch schon mal erlebt. Hey ich muss/will/sollte umziehen. Tage- ja sogar Wochenlang – scheisse in meinem Fall schon Monatelang – surft man beinahe tagtäglich auf allen bekannten Immobilienforen rum, auch auf Seiten der Immobilienmakler in der Gegend und blättert jede Woche einmal durch den Anzeiger. Man sieht viele Wohnungen und ist begeistert, leider nur solange man den Preis noch nicht entdeckt hat. Dann klickt man das Inserat weg und sucht weiter. Denn wenn man keinen Mitbewohner hat oder will, reicht das Geld nicht – vor allem bei Studenten jeder Art, die sich das Leben selber verdienen müssen – eine solche Wohnung auch nur anschauen zu gehen. Hui da ein Studio! Hmm 900 Franken, dann ist es sicher wenigstens etwas grösser als ein Zimmer. Ja genau so dachte ich. Doch dann betrat ich das Zimmer mit der Vermieterin. Ok ich gebe zu, das Studio befindet sich in der Thuner Altstadt und hat einen Blick auf die Aare was ja schon ganz nett ist, aber wo zum Teufel soll ich meine Kleider hin verfrachten, wenn knapp mein 160 cm Bett und ein kleiner Tisch Platz hat!?! Geschweige denn mein Geschirr? Okey ich für mich komme schon mit einem Teller, einem Glas und einer Tasse aus aber ich koche zu gerne um nur eine Pfanne zu besitzen, und diese dann auch noch unter dem Bett aufzubewahren.


Wie dem auch sei, viele, viel zu überteuerte Wohnungen – oder wie meine Mutter sagen würde „es Chrutzli“ – später, ging ich auf WG-Zimmer suche, konnte mich aber entweder mit den Leuten oder dem Zimmer nicht identifizieren (zu viele Ansprüche…), oder es war schon weg. Ein cooles Zimmer, super nette Jungs, doch wie ich es auch in meinem Kopf versuche einzurichten, so ist das Zimmer einfach zu klein; das Bett geht noch rein, aber wie ich meine Kleider verstauen soll konnte ich nicht sehen. Immer wieder hab ich meine Möbel angeschaut und versucht eine Lösung zu finden, denn die Wohnung und die Jungs waren wirklich klasse! Weitersuchen ist angesagt.


Vielleicht sollte ich hier noch anmerken, dass ich meine jetzige Wohnung – die ebenfalls überteuert ist und ich mir wegen dem Studium nicht mehr leisten kann – bereits gekündigt habe und langsam aber sicher in Zeitnot komme, da ich noch miteinberechne, dass ich meine Wohnung ja noch putzen und eventuell streichen muss. Ach ja packen wäre da ja auch noch. So viele Dinge und so wenig Zeit, und vor allen Dingen: keine Wohnung!

Mit dem metaphorischen Messer an der Kehle, aus Angst bald unter der Brücke schlaffen zu müssen, suche ich weiter. Ja mittlerweile bin ich bei den Wohnwagen angelangt, finde aber dann kein Platz um diesen in ÖV-Nähe aufzubauen ohne eine Busse zu riskieren. Bauwagen wäre cool, doch die Zeit fehlt einen umzubauen und auch hier wieder die Frage, wo stelle ich ihn hin. Auf dem Nachhauseweg schaue ich regelmässig, ob es bei den Brücken irgendwo vielleicht ein windstilles Plätzchen hat. Eine glänzende Idee hatte ich auch schon: auf der Arbeit haben wir einen Sanitätsraum und eine Dusche, an der Fachhochschule Nordwestschweiz gibt es tatsächlich einen Raum der Stille und Duschen hat es auch irgendwo, das wäre doch eigentlich optimal und ich würde eine Menge Geld sparen.


Mittlerweile weiss wohl halb Thun von meiner Suche nach einer Wohnung, denn ich bin der Hoffnung, dass je mehr Leute es wissen, desto eher kommt auf einmal die rettende Wohnung. Durch mein ewiges jammern wegen der Wohnung, habe ich von einigen Freunden dankbarerweise schon Notlösungsangebote und -vorschläge erhalten, was das Messer einige Zentimeter weiter von meiner Kehle fern hält. In solchen Momenten bin ich echt dankbar, dass ich die absolut besten Freunde habe, die man sich vorstellen kann.

Ständig frage ich mich nun, wieso denn diese Wohnungen so dermassen teuer sind, denn ich kenne nicht viele Grossverdiener und die die ich kenne, nehmen dann lieber gleich eine grössere Wohnung – man kann es sich ja immerhin auch leisten und hat es sich verdient -. Der Referenzzinssatz ist so tief wie noch nie, doch die Mieten scheinen so hoch wie noch nie. Bilde ich mir das nur ein? Ja klar, alles sonst wird teurer und die Vermieter müssen ja ihre Brötchen auch verdienen, doch das müssen die Mieter ja auch und dank den Mieten gibt’s dann eine Woche lang altes Brot, oder man sucht die Küchenschränkchen nach Teigwaren ab. Alle preisen sie ihre neu renovierten Superwohnungen an, aber hei wie wär’s mal mit einer nicht renovierten, bezahlbaren Wohnung? Mir wäre sogar Scheissegal, wenn ich selber Heizen müsste, solange ich mich noch etwas bewegen kann in meinen vier Wänden. Da hat man ja in einer Gefängniszelle beinahe noch mehr Platz, und ratet Mal, da müsste ich nichts zahlen, das würdet Ihr dann übernehmen. Sorry für diesen schlechten Vergleich aber es ärgert mich schaurig und ich denke, dass ich mit dieser Erfahrung nicht alleine dastehe!


Etwas positives hat das ganze natürlich: erstens ist meine Kreativität betreffend der Thematik wo ich alles wohnen könnte auf dem Höhepunkt – apropos Höhepunkt, Baumhäuser scheinen auch sehr beliebt zu sein – und zweitens merke ich wieder einmal, wie schön es ist, Freunde zu haben, die dich mit witzigen Lösungsvorschlägen und tatsächlichen Hilfeangeboten unterstützen. Danke dafür!

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Von Bier, Sex und warum nie mehr sein wird...


In letzter Zeit habe ich das Gefühl, immer wieder dieselbe Unterhaltung zu hören. Sei es im Zug im Abteil nebenan oder in der Diskussion mit Freunden, alle, egal ob Männlein oder Weiblein, scheinen ein ähnliches Problem zu haben. Man lernt jemanden kennen, unternimmt zwischendurch etwas zusammen und am Ende klappt’s dann trotzdem nicht aber niemand weiss was schief gelaufen ist.

Vielleicht liegt das Problem schon beim Kennenlernen selbst. Aus Songs, Filmen und Serien hat man die Vorstellung, dass man einfach in jemanden reinläuft, sich die Blicke treffen und ein Feuerwerk explodiert, dies entspricht jedoch sehr selten der Realität. Sich begegnen und kennenlernen kann man sich ja eigentlich überall, ich beschränke mich jedoch auf die zwei am meisten erwähnten Situationen.

Man ist mit seinen Freunden unterwegs und sieht von weitem jemanden der gefällt – üüü läck dä isch no guet… - und weil man den Mut nicht hat ihn direkt anzusprechen, bestellt man doch dann lieber noch ein Bierchen für die Nerven. Irgendwann denkt man sich dann: „so itz aber!“, geht hin und fängt mit einer belanglosen Floskel ein Gespräch an. Man ist sich sympathisch und tauscht vielleicht die Telefonnummern aus – ja wenns gut läuft sogar etwas Speichel beim verabschieden – und schreibt sich dann während ein, zwei Wochen den Daumen lahm. Es ist neu und spannend doch nach einiger Zeit gehen einem die Themen aus. Hm worüber könnte man noch schreiben, wenn der Smalltalk langsam zu langweilig wird. Und für ein Treffen waren immer noch beide zu beschäftigt – oder zu ängstlich? Man trifft sich dann endlich doch noch – am liebsten an einem öffentlichen Ort, denn ein Spaziergang im Wald könnte ja in einem Kettensägen-Massaker enden - und weil man dann doch ganz aufgeregt ist, brabbelt man während des ganzen „Dates“ nur belanglosen Stuss. Vielleicht folgen noch einige Dates, doch früher oder später landet man in der Horizontalen und vernuschet das Bett regelmässig zusammen.

Das wäre die etwas langsamere Vorgehensweise. Häufiger erwähnt wurde aber die Situation, dass man mit seinen Freunden unterwegs ist, und sich den Mut mit diversen Bieren und je nach dem noch einigen Shots antrinkt, das Gegenüber genauso blau ist wie Papa Schlumpf und man sich nach einem fünfminütigen Gelalle, bei dem sich beide wegen der zu lauten Musik sowieso nicht verstehen, schon heftigst die Zunge in den Hals steckt. Nach der letzten Runde torkelt man eng umschlungen und sich betatschend aus dem Lokal raus und es folgt die ultimativ abgedroschen Frage: „…ssuu mir - hicks - oder ssuu dir?“, was  keine gute Grundvoraussetzung für eine romantische Beziehung sein kann, oder?
Am nächsten Morgen folgt dann ein peinliches Kleidersuchen mit übelsten Kopfschmerzen. Die Anziehung ist im Besten Fall nach wie vor da und man beginnt damit, sich regelmässig zu schreiben und zägg, auch hier landet man regelmässig wieder zusammen in der Kiste.
Aber was nun? Wie lässt sich das definieren? Friends with benefits? Oder ist da doch mehr? Mittel zum Zweck? So viele Fragen und so wenig Antworten. Man getraut sich nicht, diese Fragen anzustellen, da wir ja eine Generation der Beziehungsunfähigkeit sind – abgestempelt durch psychologische Studien und Medienbeiträge -.
Man geht raus um jemanden zu finden, will sich jedoch nicht einschränken und von jedem Baum ein Früchtchen kosten. Sich nicht einschränken müssen, keine Verpflichtung eingehen, doch trotzdem nicht alleine sein. So schweigt man sich weiterhin an, bis man sich gegenseitig zu Langweilig wird und den Kreislauf wieder von vorne beginnt, halt nur mit einem neuen „Match“.

Sind wir einfach zu sehr mit uns selber beschäftigt um uns überhaupt auf jemanden richtig einlassen zu können oder haben wir nur Angst? Sind wir zu egoistisch und zu sehr in unserer Isolationswelt gefangen?

Man denkt zwischendurch wieder einmal: „das passt jetzt aber, da stimmt einfach alles!“ doch dabei vergisst man, dies vielleicht auch zu kommunizieren. Fehlende oder unzureichende Kommunikation ist meiner Meinung nach sowieso eines der Grundprobleme die zu diesem Friends-With-Benefits-Phänomen führen. Obwohl man sich gegenseitig physisch immer wieder nackt gegenübersteht, ist es für die meisten doch schwieriger, sich emotional auszuziehen und zu sagen was man will und was man braucht. Man sagt nur das, wovon man das Gefühl hat, das es das Gegenüber hören will und nicht, was man sagen möchte. Dies führt dazu, dass beide zwar dasselbe sagen, beide aber etwas anderes wollen. Ebenfalls häufig gehört habe ich, dass widersprüchliche Signale gesendete werden. Zum Beispiel wird jedes Mal wenn man sich sieht aufs heftigste geflirtet und geknutscht etc., aber auf ein simples SMS mit der Frage nach dem Befinden wird schlichtweg nie geantwortet. Ein Spiel namens „Heiss-Kalt“, das nur zu Frustration und Verwirrung führt. Niemand weiss mehr was er will.

Unabhängig sein, seine Möglichkeiten ausschöpfen, keine Kompromisse eingehen, keine Rücksicht nehmen müssen und trotzdem nicht alleine einschlafen müssen. Keine Erwartungen erfüllen müssen, doch Erwartungen stellen. Arschloch sein, aber als solches akzeptiert werden.

Ein ewiges sich im Kreis drehen um Gedanken und Erwartungs-Erwartungen, finden und gefunden werden, triviale Romantik versus rationales Denken, Einsamkeit und Zweisamkeit. Gefangen in der Isolation seines eigenen Denkens ohne sie zu durchbrechen und so verabschiedet man sich wieder voneinander und trauert einer verpassten Chance nach bis zum nächsten Mal…